Danubius sei uns gewogen
Danubius sei uns gewogen und die Germanen friedlich…
Solch frommer Spruch mag am Beginn einer Schiffsreise entlang des norischen Abschnittes des jüngsten österreichischen Welterbes dem Donaulimes vor knapp 1800 Jahren gestanden haben. Von der Provinzgrenze zu Rätien in Passau, bis nach Zeiselmauer an der Provinzgrenze zu Pannonien begleiten wir einen römischen Händler mit seinen würzigen Gedanken bei seiner knapp 275 Kilometer langen Reise auf der Donau – Danubius.
Am Beginn unserer Schiffsreise in Boiodurum/Boiotro – Passau steht ein kräftiges Elixier aus thymum – Thymian. Das ist nicht nur ein beliebtes Gewürz für Speisen, sondern hilft mit Honig vermischt gegen Husten in diesem rauen Klima und beruhigt den Magen bei Seekrankheit. Ebenso beruhigt er die Nerven nach den Zollformalitäten, da hier nicht nur die Provinzgrenzen von Raetia und Noricum aufeinandertrafen, sondern zugleich zwei innerrömische Zollbezirke, der Illyrische und der Gallische.
Das Opferbrot mit frischem laurus – Lorbeer für Danubius scheint beim Flussgott angekommen zu sein. Die Reise verläuft ruhig, und das verbliebene libum – Opferbrot ist ein willkommener Imbiss beim Blick auf den malerisch gelegenen Burgus von Stanacum (?) – Oberranna. Die über 10 m hohen Rundtürme des Quadriburgus vermitteln uns eine gewisse Sicherheit, erlauben sie doch der Besatzung eine weite Strecke der Donau (Danubius) zu überblicken und damit den Flussverkehr hervorragend zu überwachen. Heute hingegen sichert ein moderner Schutzbau das am besten erhaltene römische Bauwerk in Oberösterreich.
Bei unserem ersten Halt im Kleinkastell von Ioviacumn (?) – Schlögen erfreuen wir uns an einem entspannenden Besuch im kleinen balneum – Badegebäude. Das warme Wasser und der Duft von lavendula – Lavendel im Bad sind eine willkommene Abwechslung zum strengen Schweißgeruch der Ruderer. Kaum zu glauben, dass eine dort im Jahr 1837 gefundene Goldmünze des Kaisers Diocletian Anlass für die ersten wissenschaftlich motivierten Ausgrabungen sowohl in Oberösterreich als auch am österreichischen Abschnitt des Donaulimes war.
Welch schöner Anblick und welch ein Duft, alles voller gelber Blüten von anetum – Dill rund um das Reiterlager von Lentia – Linz. Als Gewürz ist Dill für Fisch und Wein fast unschlagbar. Hoffentlich liegt Plinius falsch, dass Dillkonsum der Sehkraft schadet, da wir sonst von einer Einheit blinder Reitersoldaten beschützt werden. Durch Militärdiplome und andere Inschriften sind zwei Reitereinheiten überliefert, um die wichtigen Handelsrouten, die den Moldauraum mit dem Donauraum verbanden, zu kontrollieren.
Angekommen im pulsierenden Hafen von Lauriacum – Enns nimmt man nicht nur den Geruch von über 25.000 Menschen im und rund um das Legionslager der hier stationierten 2. Italischen Legion wahr, sondern auch den aus den Küchen der unzähligen Tavernen. Asa foedita – Laser ist ein Wunder der Natur. Wie kann so ein Stinkkraut, so ein Teufelsdreck, das porcellum – Schweinebraten zu einem wahren lucullischen Geschmackserlebnis machen? Die Anwesenheit einer ganzen Legion mit 6.000 Mann und so manch ein Schluck Fallerner Wein lässt uns in der Provinzhauptstadt ruhig schlafen.
Mit Blick auf die Ruinen eines (noch) namenlosen Kastells im Gebiet von St. Pantaleon-Erla am Mündungsgebiet der Aist, verteilt der Kapitän einen kräftig mit saturegia – Bohnenkraut gewürzten Imbiss. Dies dient dem Schiffsklima vortrefflich, da seine Wirkung gegen starke Blähungen wohl bekannt ist und sich so das herrlich fetttriefende Schweinefleisch der Taverne von Lauriacum besser verdauen lässt.
Zehn römische Meilen (15 km) später thront das Kastell von Adiuvense oder Locus Felix – Wallsee. Wie auch immer es heißt, die hier aus camelina – Leindotter produzierten Duftsalben und Öle sind weit über die Grenzen Noricums bekannt. In den Geschäften wird es auch als exklusives Lampenöl angeboten, und selbst die Samen sind ein beliebter Snack für Zwischendurch. Das Kastell wurde in den letzten Jahrzehnten des 1. Jhs. errichtet und mehrfach mit der Unterstützung der legio II Italica aus Lauriacum umgebaut, wie von der Legion gestempelte Ziegel zeigen.
Vorbei an vielen Wachtürmen entlang der nassen Grenze erreichen wir das Kohortenkastell und den Flottenstützpunkt Arelape – Pöchlarn. Auch hier ist sicherheitshalber kräftig ausgebaut worden. Statt dem alten Holz-Erde-Kastell im Süden steht hier nun ein Steinkastell im Norden. Im angrenzenden vicus – Lagerdorf steht der gebratene Donaufisch in wunderbarer Soße aus senape – Senf hoch im Kurs. Das Gericht nach Apicius mit Senfpaste, Essig, Salz und Honig und lockt sogar Barbaren von jenseits der Donau an.
In Favianis – Mautern, einer durch ein Kastell gesicherten Kreuzung wichtiger Handelsrouten aus allen Himmelsrichtungen, ist eine Weinprobe angesagt und da läuft der mit Harz des mastix – Mastix angereicherte Wein besonders leicht die Kehle hinunter. Auch der römische „Kaugummi“ aus Mastixharz, mit Minze und Honig versetzt, ist schon etwas Besonderes. In den letzten Jahrzehnten der römischen Herrschaft zog sich der heilige Severin oft in eine Einsiedelei bei den Weinbergen – ad vineas in Mautern zurück. Er gründete hier ein Kloster, wo er auch ursprünglich begraben wurde, bevor man seine Gebeine nach Italien überführte.
Nach dem Entladen der Schiffe im Reiterlager von Augustianis – Traismauer lädt der Kommandant zu einer Ortsspezialität. Wir betreten das Kastell durch das rechte Tor (porta principalis dextra), dem heutigen Wienertor, Richtung Amtssitz. Die Flusskrebse mit menta – Minze sind ein wahrer Hochgenuss. Minze ist ein wohlbekanntes Kraut mit vielerlei Verwendung in Küche und Kosmetik. Häufig erwähnt wird die Verbindung mit puleium – Flohkraut. Für das geistige Wohl sorgten verschiedenste Kulte. Ein großer Bau könnte ein Heiligtum darstellen und eine Votivplatte auf den Iupiter Dolichenus-Kult hinweisen.
Von der Reling schauen wir zum Kastell und vicus von Asturis – Zwentendorf. Selbst von weitem ist der üppige Grabschmuck mit den hellgelben Blüten des apius – Sellerie auf den südlich und westlich des ausgedehnten vicus, gelegenen Gräberfeldern zu erkennen. Übrigens sind für die zivile Siedlung nur wenige Mauerstrukturen nachgewiesen, größtenteils standen hier wohl einfache Hütten, Erdkeller, Brunnen, Öfen und Vorratsgruben. Sellerie ist freilich nicht nur Zierde, sondern diente der für den Ort namengebende Besatzung, die cohors I Asturum, aus dem heutigen Asturien in Nordwestspanien, auch als Gemüse und Gewürz.
Zwischen den Mündungen der Kleinen und der Großen Tulln legt das Schiff beim Reiterkastell Comagenis – Tulln an und liefert exotische Gewürze für die aus dem kleinasiatischen Kommagene in der Provinz Syria stammende 1000 Mann starke Reitereinheit. Ob sich die kleinen Sträucher der mirta – Myrte hier gut ziehen lassen, bleibt fraglich. Wie auch immer, Myrtebeeren sind als Pfefferersatz überaus gefragt. Inwieweit Myrte auch eine besondere Bedeutung beim Opfer für den bei den römischen Soldaten sehr beliebten Gott Mithras hatte, ist nicht bekannt, da das gefundene Votivrelief des Mithras darüber schweigt.
Unsere Reise entlang der Nordgrenze von Noricum endet in Cannabiaca – Zeiselmauer. Im östlichsten Kastell der Provinz, nahe der Grenze zu Pannonien bedanken wir uns mit einem Opfer bei Danubius für die sichere Schiffsfahrt. Das verbliebene Fleisch des Opferlammes, gewürzt mit corona bubula – Oregano schmeckt vortrefflich. Ob es sich um den einheimischen Dost oder echten Oregano handelt, bleibt das Geheimnis unseres Schiffskochs Plaga. Die Bausubstanz des römischen Kastells ist noch an mehreren Stellen des heutigen Ortes sichtbar und bietet einen guten Einblick über Größe und Lage, da der mittelalterliche Ortskern sehr schön die römische Anlage widerspiegelt.
Im Rahmen des INTERREG Projektes Transdanube Travel Stories (2020-2022) wurde auch eine der Reisegeschichten zum Thema Römer verfasst, die einer Route von Ulm bis nach Ungarn folgt.
Es gibt diese Geschichte und 5 weitere, mit der Reiseroute und Infos zum Autor, auch als PDF-E-Book zum Download. (beinhaltet auch 5 weitere Geschichten)
Sie sind im Original in Englisch erschienen und in Deutsch übersetzt worden.
Die Travel-Story über die Römer mit dem Titel „Das Donauabenteuer – Legionen auf dem Weg zum Danubius – Der Fluss, der Kulturen anzog. Oder: Ein Reich blühender Kultur ohne Grenzen“ wurde von Guido Pinkau verfasst.
Auf www.danube-pearls.eu finden Sie außerdem Reiserouten-Vorschläge und Angebote zu Reisen entlang den Geschichten von Reiseveranstaltern.
Besuchen Sie das Museum Lauriacum in Enns/Oberösterreich: https://museum-lauriacum.at
Der gebürtige Passauer Bernhard Schlag studierte Archäologie und Altertumskunde in Passau und Salzburg. Neben vielen Jahren archäologischer Grabungs- und Forschungstätigkeit, gilt sein Hauptaugenmerk der Lehrtätigkeit, sowie der musealen Arbeit, als Vermittler, Museumsleiter und Kurator vieler Ausstellungen. Mit der Berufung zum wissenschaftlichen Mitarbeiter für die oberösterreichische Landesausstellung 2018 „Die Rückkehr der Legion – Römisches Erbe in Oberösterreich“ folgte, neben seiner Lehr- und Reiseleitertätigkeit, die Leitung der Kunst- und Kulturvermittlung im Museum Lauriacum in Enns.