Esztergom (c) Pixabay

Die Donau als Kunst- und Kulturraum „im Fluss“

Die Donau als Kunst- und Kulturraum „im Fluss“

Seit Jahrtausenden gab und gibt es in der Donauregion einen großen Reichtum an verschiedenen Kulturen, Traditionen und Kulturschätzen, geschaffen durch unterschiedlichste Gruppen von Menschen, die stets in enger Verbindung miteinander und mit dem Rest der Welt lebten. Handelsreisen, Warentransporte, Kriegszüge, Pilgerfahrten, Migration und touristische Reisen verliefen und verlaufen entlang dieser natürlichen „Schnellstraße“ quer durch Europa vom Schwarzwald bis ins Schwarze Meer. Die Donau brachte und bringt Menschen – freiwillig oder unfreiwillig – in einer solchen Vielfalt miteinander in Kontakt, wie dies sonst nur in großen Hafenstädten am Meer geschieht. Dieses durch multiethnische Kontakte und entsprechende Inspirationen über sehr lange Zeiträume hinweg geschaffene soziale, kulturelle und wirtschaftliche Umfeld hat immer schon Innovationen begünstigt und die unterschiedlichsten Kulturbereiche von Musik, Kunst, Theater und Literatur bis hin zur Architektur beeinflusst – ein Phänomen der „kulturellen Befruchtung“ durch Multiethnizität, das im gesamten Donauraum erlebbar ist.

Albrecht Altdorfer Donaulandschaft Mit Schloss Wörth 1520 25 (c) Gemeinfrei, Commons.wikimedia.org

Das Leben an der Donau und die vielen Verbindungen und Kontakte, die der zweitlängste und kulturell vielfältigste Fluss Europas bietet, haben aber nicht nur die Erscheinungsformen von Kultur in dieser Region geprägt; die kulturellen Erscheinungsformen haben im Gegenzug auch das Leben an der Donau geprägt und die Identitäten, Ideen und Weltanschauungen der hier lebenden Menschen geformt. Infolgedessen kann man auf einer Reise durch die Donauregion nicht nur eine reiche Kultur(en)vielfalt erleben, sondern auch deren „Ergebnis“ in Form bestimmter gemeinsamer Lebenseinstellungen, einer oft als „gemeinsam“ erlebten Geschichte (im Guten wie im Schlechten) und der gemeinsamen Erfahrung, dass die Dinge und das Leben an der Donau sich immer „im Fluss“ befinden und stetige Veränderung die wichtigste Konstante der Geschichte darstellt.

Unter dem Einfluss kultureller Vielfalt entwickelte sich so eine gemeinsame „Lebens- und Erfahrungswelt“ entlang der Donau, die man als „Donau-Europa“ bezeichnen und in Unterscheidung von, aber auch in Verbindung mit dem nordwestlichen „Atlantik-Europa“ und dem südlichen „Mittelmeer-Europa“ betrachten kann. Dieses bereits im Beitrag von Marton Mehes erläuterte „Donau-Europa„, das nie in seiner Gesamtheit in staatliche oder politische Formen gegossen wurde, hat sich im Lauf der Jahrhunderte als viel nachhaltiger und widerstandsfähiger erwiesen als die im selben Zeitraum aufgestiegenen und wieder untergegangenen Donau-Imperien.

Die Erfahrung der Kultur(en) und des kulturellen Erbes „Donau-Europas“ stellt für alle interessierten Reisenden und Europäer*innen eine große Bereicherung dar. Eine im Rahmen des INTERREG Projektes „Transdanube Travel Stories“ konzipierte Reiseroute folgt dem Narrativ „Cultural Harvest along the Danube: Art, Music and Architecture“ und bietet einen möglichen Leitfaden oder Zugang zu diesen Erlebnissen und Erfahrungen.

Unsere Route beginnt in Baden-Württemberg und Bayern zwar nicht unmittelbar an den Quellen der Donau, aber am Ursprung wichtiger Aspekte der Kultur(en) Donau-Europas in Ulm und in der Region Ach- und Lonetal. Hier fand man in Steinzeithöhlen die bisher ältesten Musikinstrumente der Menschheit und mit der bis zu 41.000 Jahre alten (!) Skulptur des sogenannten „Löwenmenschen“ auch den bislang weltweit ältesten Hinweis auf die Entwicklung einer frühen animistischen Religion – also einige der frühesten Zeugnisse menschlicher Kultur überhaupt! Die Donaustadt Ulm wiederum ist eng mit der multiethnischen Besiedlungsgeschichte des Donauraumes verknüpft, brachen doch von hier im 17.–19. Jhdt. unserer Zeitrechnung deutschsprachige, italienischsprachige, französische und sogar spanische Siedler auf hölzernen Transportschiffen („Ulmer Schachteln“) auf, um als „Donauschwaben“ die durch die Osmanisch-Habsburgischen Kriege verheerten Gebiete am mittleren Donaulauf (heutiges Ungarn, Serbien, Rumänien) zu ihrer neuen Heimat zu machen.

Regensburg ©Regensburg Tourismus GmbH

In Regensburg kann man in der ebenfalls an der Donau gelegenen, denkmalgeschützten Altstadt Zeugnisse des multiethnischen und kulturell vielseitigen „Heiligen Römischen Reichs“ des Mittelalters erleben, das jahrhundertelang eine Brücke zwischen „Donau-Europa“, dem nordwestlichen „Atlantik-Europa“ und dem südlichen „Mittelmeer-Europa“ bildete und von 1663 bis 1806 in Regensburg seinen „Immerwährend Reichstag“ einrichtete.

 

Im österreichischen Linz spiegelt sich kulturell aber auch in Architektur und Stadtbild die wechselhafte Geschichte einer typischen Donaustadt wider, die im Lauf der Jahrhunderte Handelsdrehscheibe, militärische Festung, Residenzstadt des Landadels und schließlich von Kohle und Stahl geprägte Industriestadt wurde, um sich im 21. Jahrhundert als moderne Technologie- und Kulturmetropole und Europäische Kulturhauptstadt des Jahres 2009 neu zu erfinden.

Das barocke Stift St. Florian und das romantische Städtchen Krems bieten Zeugnisse der durch die Donau begünstigten Einflüsse auf die bildnerische Kunst, wie die „Donauschule“ der Landschaftsmalerei, aber auch nördlich der Alpen einzigartige spätmittelalterliche Fresken, welche die italienische Frührenaissance vorwegzunehmen scheinen.

Linz (c) Pixabay
Wolf Huber Donaulandschaft Bei Krems 1529 (c) Gemeinfrei, Commons.wikimedia.org

Wien ist noch heute geprägt vom – teils romantisch verklärten – Flair der habsburgischen „Donaumonarchie“, deren Hauptstadt diese multiethnische Metropole jahrhundertelang war. Neben den bekannten imperialen Baudenkmälern faszinieren in Wien das künstlerisch, insbesondere literarisch so fruchtbare Ambiente der „Kaffeehauskultur“, die Zeugnisse des von hier aus im ganzen Donauraum verbreiteten Jugendstils, aber auch die Echos kultureller Einflüsse aus dem Donauraum in seinem weltberühmten musikalischen Erbe: So hört man in der Musik von Brahms und Mahler unverkennbar Zitate slawischer, ungarischer und jüdischer Volksmusik, während die „Türkischen Märsche“ von Beethoven und Mozart offen osmanische Militärmusik zitieren.

Die prachtvollen Schlösser des Marchfelds spiegeln eine barocke Wohn- und Lebenskultur wider, die hier vom 18. Jhdt. bis 1918 von Prinz Eugen, Maria Theresia und ihren Erben im Zuge ausgedehnter Jagdaufenthalte in den Auwäldern zwischen March und Donau über Jahrhunderte kultiviert und gepflegt wurde.

Die eindrucksvoll die Donau überragenden Gotteshäuser von Pannonhalma und Esztergom wiederum sind Manifestationen der Verschmelzung zwischen christlicher Religion und nationaler Identität in der Erinnerungskultur der ungarischen Geschichte und Gegenwart.

Die ungarische Hauptstadt Budapest ist ähnlich wie Wien ein wunderbarer Ort, um das kulturelle Erbe der dynamisch-intellektuellen Atmosphäre der späten Donaumonarchie um 1900 nachzuvollziehen, welche hier spannende Innovationen in der Philosophie und Mathematik, aber auch die Musik von Franz Liszt, Béla Bartók und Zoltán Kodály hervorbrachte. Die aus dem Stadtbild nicht wegzudenkenden Monumente der Osmanen, der Habsburger und der sowjetisch dominierten Ära des ungarischen Kommunismus illustrieren, wie diese verschiedenen multinationalen Imperien jeweils die Identität und Kultur „Donau-Europas“ geprägt haben, das den Untergang dieser Imperien jedoch stets überdauert hat.

Esztergom (c) Pixabay
Budapest (c) Pixabay

Die prachtvolle Jugendstil- und „Fin de Siécle“-Architektur im ungarischen Szeged, im rumänischen Oradea und im serbischen Subotica macht sichtbar, wie lokale Eliten in den aufstrebenden Städten dieser Region im 19. Jhdt. kulturelle Impulse aus dem Zentrum der Donaumonarchie (insbesondere Wien) aufnahmen, sich dabei aber selbst keinesfalls als „Peripherie“ wahrnahmen, sondern ihrerseits neue „Zentren“ der innovativen Weiterentwicklung von Kunst und Architektur wurden.

Im nordwestlichen Serbien verkörpert der kontrastreiche Gegensatz der mächtigen Festung  Peterwardein/Petrovaradin und der Stadt Novi Sad auf gegenüberliegenden Donauufern ein weiteres Aufeinandertreffen unterschiedlicher kultureller Impulse. Während Peterwardein als einst habsburgisches „Gibraltar an der Donau“ eine steinerne Demonstration imperialer Machtansprüche über den Donauraum darstellt, war das im Schutz dieser Festung gewachsene Novi Sad im 19. Jhdt. als geistig bedeutendes „Athen der Serben“ lange Zeit die vielleicht wichtigste Keimzelle eines liberalen serbischen Bürgertums, das eben diese imperiale Macht der Habsburgermonarchie im frühen 20. Jhdt. besonders herausfordern sollte. Das nahegelegene Karlowitz/ Sremski Karlovci wiederum ergänzt diese Eindrücke, da es als zeitweiliger Patriarchensitz und „Rom der Serben“ die konservativ-religiös-orthodoxe Seite der serbischen Kultur verkörpert, die sich hier ebenfalls unter dem Einfluss und Schutz der Habsburgermonarchie entfaltete und architektonisch verewigte.

Belgrad Kathedrale (c) Pixabay

Die serbische Hauptstadt Belgrad schließlich verbindet die unterschiedlichsten Einflüsse von „Orient“ und „Okzident“ im Schmelztiegel einer äußerst lebendigen Metropole, in der man zwischen den Mausoleen osmanischer Würdenträger, habsburgischen Festungsmauern, dem betont westeuropäischen Flair des Bohéme-Viertels Skadarlija („Paris des Balkans“ der 1920er Jahre), den kommunistischen Monumenten des Zweiten Jugoslawiens und der historisierenden Wucht der 2019 fertiggestellten Serbisch-Orthodoxen Kathedrale des Heiligen Sava die Vielseitigkeit serbischer Kultur und Identität erleben kann.

Im kroatischen Lonjsko Polje Nationalpark lässt sich als abschließender Kontrast wieder der Ursprung des Kultur(en)reichtums von „Donau-Europa“ fernab großer Städte in der Natur und im einzigartigen Lebensraum der Auwälder zwischen Donau und Save nachempfinden: Die traditionell auf Stelzen gebauten Häuser der hier vorzufindenden Dörfer spiegeln das Leben der Bauern und Fischer im Auf und Ab eines großen Flusssystems, besitzen aber außergewöhnlich reiche Dekorationen in Form kunstvoller Holzschnitzereien, in denen sich Innovation und Kreativität der Menschen spiegeln.

TIPP

Diese und andere Erlebnisrouten entlang der Donau lassen sich auch im Rahmen organisierter Busreisen erfahren, die von der oberösterreichischen Reiseparadies Kastler GmbH als Teilnehmer des INTERREG Projektes „Transdanube Travel Stories“ entwickelt wurden und laufend angeboten werden.

Weitere Reiseangebote zu den Transdanube Travel Stories finden Sie auch hier.

Die Transdanube Travel Stories können Sie hier lesen.

Logo INTERREG PROJEKT - Trandanube TravelStories
Foto Dr. Andreas Rathberger-Reiter
Text by Dr. Andreas Rathberger-Reiter, Reiseparadies Kastler GmbH

Dr. Andreas Rathberger-Reiter studierte 2001–2013 an den Universitäten Wien, Swansea und Jerusalem Geschichte mit besonderem Schwerpunkt auf Ost- und Südosteuropäische Geschichte. Nach Abschluss des Doktorats wechselte er von der Wissenschaft in den Tourismus und ist seither für die Reiseparadies Kastler GmbH tätig, wo er für historische und kulturgeschichtliche Studienreisen, sowie für Reisen nach Südosteuropa und auf die Britischen Inseln zuständig ist. Die Beschäftigung mit Geschichte und Reisen sind für ihn zwei großen Leidenschaften, die sich gerade im Donauraum mit seiner faszinierenden multikulturellen, multiethnischen Geschichte wunderbar miteinander verbinden lassen.

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