Schlösser-Tour entlang der Donau
Das Ende der Donaumonarchie - Die Schlösser der Thronfolger entlang der Donau
Wäre Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand nicht im Juni 1914 in Sarajevo einem Attentat zum Opfer gefallen, hätte die Entwicklung der österreich-ungarischen Monarchie vielleicht eine andere Richtung genommen. Denn der Erzherzog hatte seine höchstpersönliche Thronfolge bereits akribisch vorbereitet. Aber dann kam das Attentat. Zum Begräbnis hatten sich zwar der Prinz von Wales, der Großfürst Nikolaj und Franz Ferdinands Jagdfreund, der deutsche Kaiser Wilhelm II. angesagt. Kaiser Franz Josef aber lud sie alle aus und die Trauerfeierlichkeiten fielen karg aus. Als die Särge aus Sarajevo über Triest und Wien endlich frühmorgens in Pöchlarn an der Donau von der Bahn zur Fähre an der Donau gebracht wurden, brach ein Gewitter los. Von Pöchlarn ging es hinan zum Schloss Artstetten, wo Franz Ferdinand mit seiner Sophie beigesetzt werden wollte.
Trotz der ausgesprochen Liebesheirat mit Sophie war der Thronfolger nicht gerade beliebt gewesen beim Volk. Er galt als stur, sprunghaft, schießwütig, jähzornig, schroff und wenig umgänglich, ein manischer Sammler und Jäger. Karl Kraus charakterisierte ihn: „Er war kein Grüßer. Auf jene unerforschte Gegend, die der Wiener sein Herz nennt, hatte er es nicht abgesehen.“ Nun, für einen Karl Kraus war das ja noch ganz nett formuliert.
Sophie pflegte auf seine Wutausbrüche auf ihre Art zu reagieren. Wenn sie bei gemeinsamen Auftritten (viele waren es nicht, denn sie wurde bei Hof boykottiert) auf ihre Brosche in Lammform deutete, versuchte sie damit, einem drohenden Zornesausbruch ihres Gatten zuvorzukommen. Er wiederum schenkte ihr nach jedem Wutanfall als Entschuldigung ein Schäfchen aus Porzellan.
Ob sich diese schöne Gepflogenheit auch auf seine Nachfahren übertragen hat, wissen wir nicht. Wir könnten sie aber fragen. Denn dort oben hoch über dem Donautal, wo sich Franz Ferdinand mit Frau und Kindern vom höfischen Zeremoniell in Wien erholte, dort wohnt noch heute seine Urenkelin Anita Hohenberg: Im Schloss Artstetten bei Pöchlarn an der Donau. Hier im Franz Ferdinand Museum hat die Familie ein Gedenkmuseum eingerichtet mit allem, was vom Privatmann übriggeblieben ist. Auch die Porzellanschäfchen. Es sind viele.
Gäbe es die Adelstitel heute noch, dürfte sich die Urenkelin Franz Ferdinands „Fürstin“ nennen: Anita Hohenberg und Tochter Alix führen die Besucher zu manchen Anlässen noch selbst durchs Haus, sie selbst wohnen mit Familie ganzjährig hier. Ururenkelin Alix d‘Harambure-Fraye lebt gerne mit ihrer Geschichte, hat die Welt bereist und ist heute alles in einem: Gutsverwalterin, Museumsdirektorin und Geschäftsführerin des Schlosses, des Museums, des Naturparks. Ob ihre Kids hier im barocken Badeteich des ehemaligen Thronfolgers rumplantschen? Im Sommer dümpelt dort jedenfalls ein rosa Luftflamingo. Oder war es ein Einhorn? Auf jeden Fall kein Lamm.
In Artstetten hatte es Franz Ferdinand kommod: Ein Luxusbad mit fließend warmen Wasser, Telefon, elektrisches Licht, Aufzüge und Zentralheizung. Der alte Kaiser hingegen benutzte nicht mal das neue Telefon (am Klo installiert), während Franz Ferdinand stets umtriebig und ungeduldig telefonierte, telegrafierte, instruierte und plante. Franz Ferdinand fuhr sogar ein eigenes Auto. Noch so ein Gräuel in den Augen Franz Josefs, der Franz Ferdinands politische Avancen „schubladisierte“ – ganz so wie einst bei seinem Sohn Rudolf.
Franz Ferdinand war zwar für die Zukunft vorbereitet, aber mit den neuen Kulturströmungen stand er auf Kriegsfuß. Die Wiener Moderne war ihm ein Dorn im Auge, Otto Wagner Bauten in Wien suchte er zu verhindern – üppiges Barock war ihm lieber. Im Oberen Belvedere in Wien, seinem offiziellen Wohnsitz, wo er auch eine Art Schattenregierung für den Fall seiner baldigen Thronbesteigung betrieb, sorgte er für eine neobarocke Restaurierung. Dem jungen Oskar Kokoschka aus Pöchlarn wollte er gar „alle Knochen brechen“, weil ihm dessen Stil nicht behagte und Gustav Klimt bekam wegen ihm keinen Lehrstuhl an der Kunstakademie.
Franz Ferdinand hatte ab 1906 die Vormundschaft für seinen Neffen Karl, den er auch in seine Reformpläne eingeweiht haben dürfte. Karl wurde im nahen Schloss Persenbeug bei Ybbs geboren, keiner dachte jemals daran, dass er Kaiser werden würde. Zuviele standen in der Thronfolge vor ihm. Doch nach Kriegsende will das Volk keinen Kaiser mehr von Gottes Gnaden.
Karl verlässt Schloss Schönbrunn und begibt sich auf Schloss Eckartsau im Marchfeld, weil es im Privatbesitz der Habsburger ist. Natürlich ist man nicht allein, sondern immer noch mit Entourage unterwegs: 115 Menschen – von Büglerinnen über Briefträger, Jagdgehilfen und Hofoberchauffeure bis zum Gärtner und der Fensterputzerin – sind rund um Karl und Zita zugange. Alles im Schloss erinnert Karl noch an seinen Onkel Franz Ferdinand, Feste und Jagden, hohe Gäste eines kaiserlichen Thronfolgers. Auch hier: Warme Dusche, Telefon, Elektrisches Licht. Für die barocke Pracht hierin, wie sie einst Franz Ferdinand so zugesagt hatte, hat man jetzt einen Sinn mehr. Auch nicht für die Deckenfresken des Barockmalers Daniel Gran: Kaum ein Schloss, ein Stift oder eine Kirche im Donauraum ohne eines seiner üppigen Deckenfresken.
Vier Monate ist Schloss Eckartsau das Refugium des letzten Habsburger Kaisers: Ein Schicksalsschloss. Am 23.3.2019 nachmittags besteigt Karl im winzigen Bahnhof Kopfstetten bei Eckartsau in Feldmarschalluniform mit seiner Familie den eigens hierher geschafften Salonwagen ins Exil in die Schweiz. „Eine grässlich holprige Straße“ führte zum Bahnhof, wo trotz Nachkriegselend 2000 Kaisertreue warteten. Heute ein renoviertes Relikt ohne Schienen…
Was die nicht mehr kaiserliche Familie als letztes Mittagessen im Schloss Eckartsau zu sich genommen hat? Frittatensuppe, Wild und als Dessert Weichselschnitte. Das ganze Menü können wir heute nachkochen, das genaue Rezept gibt´s auf der Website von Schloss Eckartsau. Ein für eine kaiserliche Familie karges Mahl – dem Volk geht’s aber richtig schlecht: Brot aus Holz und Kuchen aus Kartoffelschalen. Stunden nach der letzten Frittatensuppe am Grenzübergang. Stefan Zweig, beim Verfassen seiner „Welt von Gestern“ selbst seit Jahren im Exil, schreibt über ein gespenstisches Vorkommnis:
„Langsam, ich möchte fast sagen, majestätisch rollte der Zug heran, ein Zug besonderer Art, nicht die abgenutzten, vom Regen verwaschenen gewöhnlichen Passagierwaggons, sondern schwarze, breite Wagen, ein Salonzug. Die Lokomotive hielt an. Eine fühlbare Bewegung ging durch die Reihen der Wartenden, ich wußte noch immer nicht warum. Da erkannte ich hinter der Spiegelscheibe des Waggons hoch aufgerichtet Kaiser Karl, den letzten Kaiser von Österreich und seine schwarzgekleidete Gemahlin, Kaiserin Zita. Ich schrak zusammen: der letzte Kaiser von Österreich, der Erbe der habsburgischen Dynastie, die siebenhundert Jahre das Land regiert, verließ sein Reich!“
Als Autoliebhaber hatte Franz Ferdinand das Schloss Eckartsau einst auch gleich hellsichtig mit einer neuen Automobilstraße an Schloss Orth und Schloss Niederweiden im Marchfeld anbinden lassen. Im Schloss Orth hatte sein politisch ebenfalls glückloser Onkel Kronprinz Rudolf noch Feste gefeiert, die Schrammeln aufspielen lassen und Leibfiaker Bratfisch in Dienst genommen.
Neben Artstetten als Museum und Familiensitz haben auch Eckartsau und Orth, so wie einst Franz Ferdinand, den Sprung in moderne Zeiten geschafft. Schloss Eckartsau ist beim „Austrian Wedding Award“ unter den besten drei Locations in Österreich, Schloss Orth ist Nationalparkzentrum der Donauauen. Die letzte Kaiserin Zita durfte übrigens nach 63 Jahren Exil im Jahr 1982, ohne jemals selbst irgendeinen Verzicht auf die Kaiserinnenwürde unterschrieben zu haben, wieder nach Österreich einreisen – eine Gesetzeslücke machte es möglich. Ihr Begräbnis geriet in Wien zu einem wahren Massenspektakel: Sie fand – im Gegensatz zu Franz Ferdinand, Sophie und Karl – ihre letzte Ruhe in der Kapuzinergruft der Habsburger.
- Schloss Artstetten. Die Wohnung des Thronfolgers Franz Ferdinand mit Museum
- Marchfelder Schlösserreich – Fünf Schätze aus einer anderen Zeit: Schloss Hof, Niederweiden, Eckartsau, Marchegg, Orth –
- Schloss Eckartsau. Kaiserliche Hochkultur in den Donau-Auen. Schlossführung durch die barocken Prunkräume und Interaktive Ausstellung zum Gedenkjahr 2018
- Kapuzinergruft
- Die kaiserliche Familie wanderte oft von Artstetten nach Maria Taferl, dieser heute historischer Weg kann immer noch begangen werden und ist gleichzeitig eine Etappe des Weitwanderwegs Nibelungengau und auch des österreichischen Jakobswegs. Durch das ehemalige Jagdrevier geht es auf guten 5 Kilometern bis in den Wallfahrtsort
- Picknickwiese vor dem Schloss Eckartsau: Picknickkorb aus dem Schloss-Café
- Ein verstecktes Kleinod in Maria Taferl: Mechanisches Alpenpanorama im Wirthaus zum Goldenen Löwen. 100 bewegliche Figuren im Bergpanorama, zu bedienen über einen Lederriemen und eine Kurbel. Über 100 Jahre alt.
- Am Fuße von Maria Taferl in Marbach an der Donau: Handgemachte Schaumrollen in der Café Konditorei Braun
- Einkehren und Wohnen im Schlossgasthof Artstetten
- Oskar Kokoschka Zentrum Pöchlarn
- Schloss Persenbeug
- Schloss Marchegg: Jedes Jahr Ende März treffen hier bis zu 100 Störche ein, um zu brüten und ihre Jungen aufzuziehen. Sie bleiben bis Mitte August, dann fliegen sie nach Afrika zurück. Die größte baumbrütende Weißstorchkolonie Mitteleuropas!
- Nationalpark Donau-Auen
- Eine der größten Möbelsammlungen der Welt in Wien: Die originalen Möbel der Habsburger im Hofmobiliendepot