Schlögener Schlinge © WGD Donau Oberösterreich Steininger

Die Donau als Grenze

Der Donau-Limes der Römer und wo heute unsere Grenzen sind

Die Römer nahmen sich einst kein Blatt vor den Mund (warum auch?) und sagten gerade heraus, was Sache war: „Hier kommt keiner herein, den wir nicht haben wollen“. Die Rede war von jenem römischen Großreich, in das sie nur jene Menschen ließen, die genehm waren, bzw. die „römischer Bürger“ waren, wurden oder dazu gemacht wurden. Denn wer ein Römer war und wer nicht – wer quasi ein „Einheimischer“ war und wer nicht – wer in die vermeintlich zivilisierte Welt des Imperiums Romanums hineindurfte, das war nicht unbedingt nur eine Frage der Geburt. Sondern das war – auch damals schon – unter anderem auch eine Frage von Macht, von Geld, von Militärpatenten oder Verheiratungspolitik. Man war römischer Bürger mit oder ohne Wahlrecht, frei oder unfrei. Oder man war ein Barbar.

Kommt uns das bekannt vor? Im 21. Jahrhundert? Bestimmen auch wir heutzutage, wer, wo und warum sich jemand in einem Land, hinter bestimmten Grenzen, als „Einheimischer“ fühlen darf? Hängt es ab von Ausbildung, Macht, Berühmtheit, Herkunft, Sprache? Damals wie heute?

Donau Carnuntum Haimburg © Angelika-Mandler
Donau Carnuntum Haimburg © Angelika-Mandler
Über Grenzen - damals und heute

Wo beginnen Grenzen und enden sie? 400 Jahre lang war der Limes die „Außengrenze“ („Fines imperii“ – die Reichsgrenze) des römischen Reiches. Man sieht: Auch die Begrifflichkeiten von uns Menschen haben sich nach 2000 Jahren kaum verändert. In Europa wird der Ruf nach „Abschottung“ wieder lauter, in den USA ist eine Mauer zu Mexiko unsägliches Thema.

Grenzschutz war schon im Imperium Romanum großes Thema. Vor 2000 Jahren zog sich eine teilweise befestigte, teilweise am Fluss entlang laufende Grenzanlage quer durch ganz Europa: Der römische Limes war eine perfekte Installation, um das groß-artige Römische Reich von den externen Barbarenvölkern abzugrenzen, zu sichern, zu trennen, zu schützen. Auf einer Länge von 5500 Kilometern trennte einst der Limes die damalige „Zivilisation“ des riesigen römischen Imperiums von den Barbaren.

Der Donau-Limes war ein Teil dieser Grenze und verlief entlang der Donau im heutigen Bayern, über Österreich (wie etwa bei Oberranna, Schlögen und Enns), die Slowakei und Ungarn bis nach Serbien und Rumänien. Durchgängige Mauern hingegen wurden etwa in Nordengland (Hadrianswall) errichtet, auch zwischen Rhein und Donau (obergermanisch raetischer Limes) befanden sich Mauern, Kastelle und Wachtürme als fast durchgehende Befestigung.

Dabei waren Städte, die  wir heute als ganz selbstverständlich etwa dem Umland von Wien zuordnen – wie das Stift Klosterneuburg oder Petronell-Carnuntum direkt am Limes und damit direkt an der Grenze zu den Barbaren  nördlich der Donau gelegen. Befestigungen am Limes bestanden aus Lagern, Kastellen und vor allem aus Wachtürmen.

Die Lager entwickelten sich zu kleinen Städten, in denen gelebt, geliebt, gefeiert wurde – wo anderswo im Reich auch. ein Entlang dieser Grenze entstand auch die Via Istrum, der Donauweg. Reste der Wehrtürme am Limes finden sich u.a. im imperialen Oberösterreich, in  Tulln und Zeiselmauer. Doch an vielen Stellen ist der Limes von damals heute unsichtbar geworden. Für unsere Augen zumindest. Denn im Falle des Raetischen Limes in Deutschland, der den UNESCO Welterbestatus hat, wurde mit einem Infrarot Laser Scanner das Bodenprofil abgetastet, um den Verlauf des mittlerweilen „unsichtbaren“ Bollwerks entdecken zu können: So konnte man sogar einzelne Pfostenlöcher von Wachtürmen aufspüren! Der Limes Pannonicus wiederum ist ein Teil des Donaulimes, der von Klosterneuburg bis Serbien reicht. Von der Ruine in Devin bei Bratislava hatten die Römer einst einen besonders guten Ausblick hinab auf den Nassen Limes.

Im heutigen Österreich verlief der Limes von Carnuntum bis Schlögen zur Donauschlinge – immer im Abstand von 14 Kilometern fanden sich hier Kastelle. Bis Linz entspricht dieser Weg heute der Bundesstraße.

Fotocredit: (2) Stift Klosterneuburg Garten (c)Wienerwald Tourismus GmbH_Bauer
Der Donau-Limes als Symbol des Friedens? Der angestrebte UNESCO Welterbestatus

Allerdings ist der ehemalige Limes im Donauraum heute nicht mehr vollständig als Befestigungslinie sichtbar, denn für die Römer war die Donau selbst oft Grenze genug. Um ein solches Kulturgut aber von der UNESCO als solches schützen lassen zu können, müssen noch erhaltene Bauwerke dazu flächendeckend, bzw. nachvollziehbar durchgängig vorhanden sein. Und eben diese Bauwerke, so sie vorhanden sind, müssen dann auch noch national geschütztes Kulturgut sein, als auch als langfristig erhaltenswert gelten.

Auch öffentliches Interesse muss bei einem potentiellem UNESCO Weltkulturerbe ganz oben stehen: Wenn also heute ein Hotel dort steht, wo sich früher am Donaulimes ein römisches Truppenlager befand, dann ist das – nun ja – dem Welterbestatus nicht zuträglich. Aber immerhin 98 „Komponenten“ hätten sich zur Einreichung des Donau Limes als UNESCO Welterbe gefunden. Im Moment scheint das Projekt des Donaulimes als grenzüberschreitendes, schützenswertes UNESCO Welterbe von Österreich, der Slowakei und Ungarn aber zunächst auf der langen Bank gelandet zu sein. Denn eine Änderung in letzter Minute seitens der ungarischen Mitbewerber ließ die UNESCO den gemeinsamen Antrag wieder zurückstellen.

Sehenswerte Überreste des „nassen Limes“ gibt es aber dennoch allemal. Zudem ist es auch wichtig, die andere Seite dieses zunächst militärischen Grenze zu beachten: Nicht immer und überall war der Limes immer nur ein Ort der militärischen oder feindlichen Auseinandersetzungen zwischen Römern und Barbaren. Öfter war der Limes Ort des Handels, des kulturellen Austauschs von Ideen und Errungenschaften. So könnte ein Donau Limes als UNESCO Weltkulturerbe durchaus einmal auch als Symbol für den Frieden stehen, für ein vereintes Europa etwa im weitesten Sinne.

Devin Slowakei © Angelika Mandler
Devin Slowakei © Angelika Mandler
An seine Grenzen geraten – Das Römerlager Arrianis (Klosterneuburg)

Anlässlich seiner Festrede zur Eröffnung der Ausstellung „Römerlager Arrianis – der Limes in Klosterneuburg“ in der prachtvollen Sala Terrena am 30. März 2018 in Klosterneuburg spricht auch der Historiker Philipp Blom über Grenzen. Über die Grenzen des Römischen Reichs, an die das dekadente Imperium gelangt war und über Grenzen von heute. Die nach einer Zeit der Grenzöffnung offenbar wieder wichtig geworden sind.

Auch heute haben viel das Gefühl, dass unser Reich an seine Grenzen geraten ist und … vielleicht wird auch deshalb wieder der Ruf nach neuen Grenzen lauter“, so der Historiker bei der Festrede. Und gerade Grenzen  seien immer wieder Orte, wo die Zivilisation endet und Barbarei beginnt. Grenzen seien auch deshalb wieder wichtig geworden, weil das, was wir haben, bedroht zu sein scheint.

Das war auch bei den Römern nicht anders. Doch heutzutage entstehen vermehrt Probleme, die sich auch durch Grenzen nicht mehr kontrollieren oder lösen lassen: Etwa der Klimawandel oder Finanzkrisen. Zudem: „Gegen Kontrollverlust helfen keine Mauern“, sagt Philipp Blom. „Das römische Reich zeigte zum ersten Mal Schwäche, als es seine Grenzen befestigte und Mauern baute. Es konnte den Wert seiner Zivilisation nicht mehr erfolgreich projizieren und war zu weit ausgedehnt, um sein Gebiet zu kontrollieren. Der Zusammenbruch aber erfolgte von innen, mit den Soldatenkaisern, die sich nur noch an der Macht bereichern wollten. Hier ist es erlaubt, Parallelen zu ziehen: Wer heute Mauern bauen und Grenzen ziehen will sollte gut nachdenken, was da eigentlich abgegrenzt und verteidigt wird.“

Der Limes in Klosterneuburg war die nördliche Reichsgrenze und hinterließ so manchen Bodenfund, darunter Grabsteine, die in der Jahresausstellung 2018 im Stift Klosterneuburg präsentiert wurden. Das Chorherrenstift Klosterneuburg erhebt sich heute dort, wo sich einst das Römerlager befand – ein Lager mit Zivilstadt, Militärlager, regem Handel und alles, was eine Kleinstadt von damals eben zu bieten hatte: News von den alten Römern gefällig?

Zu der Zeit, als Klosterneuburg als „Arriana Castra“ das westlichste Hilfstruppenlager der römischen Provinz Pannonia war, war das Imperium Romanum breits an seine organisatorischen, versorgungs-, und auch kommunikationstechnischen Grenzen gelangt, so Blom. Wieder eine Parallele zur heutigen Zeit? Ende des 2. Jahrhunderts wurde das Klima kälter und die Ressourcen des römischen Imperiums knapp. Invasionswellen drohten, Kastelle am raetischen Limes wurden von Barbaren überrannt und der nasse Limes wurde immer öfter ein Ort von Raubzügen.

Im reichen Lager Carnuntum war man nicht gar so gefährdet wie am Raetischen Limes – dort hielt sich das römische Dolce Vita recht lange, bis den Römern das Geld für die Verteidigung schließlich endgültig ausging.

Ist ein Reich, das anfängt sich (wieder) hinter seinen Grenzen zu verstecken, ein „Reich, das angekränkelt ist von der eigenen Dekadenz“ – wie Blom ausführt und aufrüttelt? Läuft es darauf hinaus, dass Imperien, die sich hinter Mauern verstecken – damals wie heute – schlussendlich an ihrer Vitalität verlieren werden?

Philipp Blom versteht es meisterhaft, sein umfangreiches Wissen, seine Forschung und seine Kompetenz in diese aufrüttelnde „Festrede“ zu verpacken, die uns auch hier in Klosterneuburg, im ehemaligen Römerlager Arrianis am Donau Limes zeigt, dass wir immer irgendwie an unsere Grenzen kommen. Damals wie heute.

Fotocredit:
(1) StiftKlbg_RoemerlagerArrianis (c) Michael_Himml_lowres
(2) ML_15_Klosterneuburg_PRESSENiederösterreich-Werbung Michael Liebert
Den Donau Limes entdecken – TIPPS
Literatur:
  • Römerlager Arrianis – Grabsteine sind Geschichtsbücher. Jahresausstellung 2018 im Stift Klosterneuburg
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